SEHNSUCHT SONDERGLEICHEN

Theaterpädagogisches Projekt im Hause des Blauen Kreuzes (Köln) als Bindeglied zwischen Suchtkranken und Nicht-Betroffenen

 

Seit 1901 hilft das Blaue Kreuz in Köln Suchterkrankten (mit Schwerpunkt auf Alkohol- und Medikamentenmissbrauch) und den ihnen nahe stehenden Personen. Als gemeinnütziger und christlicher Verein bieten wir unterschiedliche Schritte an, um ein suchtfreies Leben zu erreichen. Viele von uns haben dadurch selbst ihren Weg gefunden.

Zu den wöchentlichen Treffs der offenen Selbsthilfegruppen des Blauen Kreuzes Köln sind Betroffene, Angehörige und sonstige Bezugspersonen jederzeit herzlich willkommen. Ergänzend zu den Selbsthilfeangeboten unseres Vereins gehört seit vielen Jahren die Fachstelle Sucht, wo fachliche Hilfe und Beratung über therapeutische Angebote zu erhalten ist.

Ein weiterer Zweig des Blauen Kreuzes Köln ist BKultur, ein Forum für Konzerte, Lesungen, Kabarett, Theater- und Chorauftritte von Betroffenen und Nicht-Betroffenen. Zu diesem Personenkreis gehört auch die Theatergruppe Blaues Mosaik, deren Mitglieder sich dem hier vorgestellten Vorhaben anschließen wollen.

Projektbeschreibung

Bereits seit der Antike bekannt sowie eingesetzt ist die heilsame, persönlichkeits- und gemeinschaftsfördernde Wirkung des Schau-Spielens. Anzuführen dafür wäre hier als Beispiel der Gebäudekomplex von Epidauros, die bedeutendste antike Kultstätte für den Heilgott Asklepios, von der ein bis zu 14.000 Zuschauer fassender Theaterbau bis in unsere Tage nahezu vollständig erhalten ist. Bestärkt wird diese Sichtweise im Weiteren mit Aristoteles´ Poetik der Tragödie, insbesondere seiner Karthasis-Theorie, und dem Wissen als Hintergrund, dass der Chor im antiken Drama nicht nur das Volk repräsentierte, sondern sich auch aus diesem rekrutierte. So ist also davon auszugehen, dass in Epidauros viele der dort Genesungssuchenden an den Durchführungen der Theatervorstellungen aktiv beteiligt waren. Auch der große Antipode der Aristotelischen Dramentheorie, Bertolt Brecht, greift bei seiner Lehrstücktheorie nach Steinweg auf diese Wirkmechanismen zurück. Entdeckte er doch die Möglichkeiten, die sich Laien bei der Realisierung eines Lehrstücks bieten, d.h. demgemäß die Chance, körperliche und innere emotionale, rationale, psychische Haltungen zu erleben.

Ob diese Wirkweisen im Theater nun bewusst für Heilungsprozesse genutzt werden wie in der Theatertherapie oder ob sich diese in künstlerisch-pädagogisch motivierten Prozessen eher „nebenbei“ ergeben wie bei der Theaterpädagogik, ist ein mögliches Kriterium der Unterscheidung. Wichtig an dieser Stelle hervorzuheben ist, dass das hier vorgestellte Vorhaben sich explizit als künstlerisch-pädagogisch Theaterprojekt versteht, was gerade im Hinblick auf die möglichen Teilnehmer dieses Projekts von Bedeutung ist. Denn weder kann noch will dieses Vorhaben eine Sucht-Therapie (die z.B. im Hause des Blauen Kreuzes angeboten wird) ersetzen. Das Projekt versteht sich vielmehr als ein Angebot an bereits Therapierte und Nicht-Betroffene, die nach einer Möglichkeit suchen, sich mit inneren Prozessen öffentlich zu beschäftigen.

Die vorgesehene Verwendung von Elementen wie beispielsweise dem Biografischen Theater als produktionsästhetisches Mittel macht diesen Hinweis notwendig. Denn durch die kreative Auseinandersetzung mit der eignen Geschichte können Gründe für ein Scheitern an den eigenen Konflikten aufgedeckt werden. Zwar ist es Ziel dieses Vorhabens dann auch durch Theatralisierung im Spiel Problemlösungen dafür zu finden und umzusetzen, doch bleiben die Bewältigungsversuche auf die Theaterspielebene beschränkt. Dadurch, dass anfangs weder eine Geschichte noch ein Text existiert, sind die Spieler gefordert, eigene Beiträge zu liefern. Es müssen selbständig Passagen geschrieben und Szenen in der Kleingruppe improvisiert werden. Das kommt autonomem Arbeiten ebenso wie Teamarbeit entgegen und liefert Anregung für schöpferisches Tun. Damit ist ein ausgewogenes Verhältnis von Prozess und Ergebnis berücksichtigt.

Thematische Zentrum dieses Vorhabens ist die Gemütserregung Sehnsucht. Zu diesem allgemein bekannten Affekt findet man im Internet zahlreiche Zitatensammlungen, deren literarische Qualität von feinsinnigen Betrachtungen zeitgeschichtlicher Persönlichkeiten bis hin zu trivialen Äußerungen unbekannter Personen reicht. Gerade dieses weite Spektrum macht die Auseinandersetzung mit dem Thema interessant. Durch die methodisch-innovative Vorgehensweise, wie diese im Zeitplan vorgestellt wird, wäre eine solche Auseinandersetzung auch auf andere Themen übertragbar.


Aushang zum Theaterprojekt SONDERGLEICHEN

MitspielerInnen für Theaterprojekt gesucht

Im Frühjahr 2017 startet ein Projekt mit dem Arbeitstitel SONDERGLEICHEN. Als Leitung verantwortlich zeichnet Karsten Schönwald (Regisseur und Theaterwissenschaftler), der mit den Teilnehmern eine Werkschau zum Thema Sehnsucht: Von Allmacht und Transzendenz erarbeiten möchte.

Mitglieder der Theatergruppe Blaues Mosaik haben sich dem Projekt bereits angeschlossen und freuen sich sehr darauf, neben der Entwicklung eines eigenen Stückes, im Probenprozess auch Einblicke in die Theorie und Praxis des Schauspielens zu erfahren. So erwarten die Teilnehmenden Übungen aus dem Stanislawski-System, dem Körpertheater Grotowskis, Elemente aus der Tanzpädagogik sowie dem Biografischen Theater. Die Suche soll all diejenigen ansprechen, die Interesse haben, sich durch Mittel des Theaters mit dem Thema Sehnsucht spielerisch-kreativ auseinanderzusetzen. Und da dieses Gefühl alle Menschen gleichsam betrifft, ist das Vorhaben auch offen für Jeden. Schauspielerische Vorerfahrung ist nicht notwendig, aber auch nicht abträglich.

Vorgesehen sind 12 Blöcke á 3 Stunden, die zunächst jeweils am 1. Samstag des Monats zwischen 13-16 Uhr im Blauen Kreuz stattfinden werden; vorgesehene Projektdauer ist ca. 6 Monate. Den genauen organisatorischen Ablauf stimmen wir beim 1. Vor-Treffen am 4.2.2017 gemeinsam miteinander ab.

Weitere Information zum Projekt sind dem Flyer (in Vorbereitung/Aushang in Kürze) zu entnehmen. Zwischenzeitliche Information zum Termin der Erstveranstaltung sowie/bzw. zur Anmeldung kann erfragt werden in Vertretung über den bekannten Kontakt der Theatergruppe oder direkt per E-Mail an: k.schoenwald@theater24.net

"Nur wer die Sehnsucht kennt, Weiß was ich leide!"
Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre